In dieser Woche wird an der Ahr von hoher und höchster Stelle an die Flutkatastrophe am 14./15.2021 erinnert. Der Stand (und vielfach auch Stillstand) der Dinge ist allgegenwärtig. Es wird rund um die Ahr weiterhin Schutt und Geröll in unvorstellbaren Mengen geräumt, viele Häuser sind in der Wiederherstellung und unglaublich viele Häuser sind Ruinen bzw. unbewohnbar. Ein Jahr ist nun vergangen und in dieser langen Zeit hat kein Verantwortlicher die Verantwortung für die flächendeckende Schutzlosigkeit in der Flutnacht mit dem Tod vieler Menschen, die durch die Flut ihr Leben verloren haben, übernommen.
Und jetzt wissen viele Ahrtal-Bewohner noch immer nicht, wie es weitergeht, ob ihre Häuser wiederhergestellt werden können und woher bzw. wann das Geld dafür kommen soll, wo sie ersatzweise ein Haus bauen können und wie lange sie auf Hilfen warten müssen. Es fehlt schlicht jeder verlässliche Zeit-Horizont. Die Ungeduld unter den Betroffenen nimmt zu, viele Menschen geben die Hoffnung auch einfach auf. Belastungen ohne ein Zeit-Ziel sind für Menschen nur sehr schwer zu ertragen.
Als wir vor wenigen Jahren eine Neubauwohnung – bezahlbar und in guter Lage – gekauft hatten, war allerdings auch bald eine Hochwasser-Lage an der Ahr. Dieses Hochwasser wurde reihum als „Jahrhunderthochwasser“ eingestuft. Wasser bis dicht unter die Brücken, Wasser am Parkplatz vor dem Twin, Straßenverkehr aber problemlos möglich. Wir haben die Wohnung in Neuenahr als späteren Alters-Ruhesitz ausgesucht, mit Aufzug und Hausmeister, mit fußläufig erreichbaren Geschäften, mit dem Neuenahrer Berg im Rücken und anderen nahen Wander- und Spaziermöglichkeiten. Wir waren zuvor etliche Male umgezogen, jedesmal in gebrauchte Wohnungen, und freuten uns nun auf einen gelungenen Neubau, in dem wir in den nächsten Jahren ohne ständigen Blick auf mögliche Schwachstellen und die Befürchtung, Handwerker um (teure) Hilfe bitten zu müssen, den Rest unseres Lebens in Ruhe genießen können. Und dann kam die Flut – unangekündigt – und räumte unseren Keller mit allem Inhalt aus, riss unser Auto in den Schlamm und bescherte mir auch noch einen Krankenhausaufenthalt. Die Erdgeschosswohnungen wurden ebenfalls komplett von Schlamm durchzogen bis an die Decken und wurden nach der Räumung des Schlamms, der Trocknung und der Beseitigung des Estrich wieder in den Rohbau versetzt, um von da aus den Bau wieder her zustellen. Das bedeutet konkret: ein ganzes Jahr („und noch viel mehr“ wohl) jeden Tag Baulärm, Staub, Schutt, Hoffen und Beten, dass der Bau am Ende – wann immer das ist – gelungen sein wird. Drum herum ist „Wildnis“ – sicher interessant für biologisch Interessierte, dabei festzustellen, was in Städten so von selber wächst, wenn die Gärten aufgegeben wurden. Die Verwilderung nimmt inzwischen aber auch bis in die Wohnungen zu: jede Menge Fliegen und andere Klein- und Kleinst-Parasiten ziehen in die Wohnräume ein.
Was macht man also? Viele Nachbarn verreisen. Ich glaube aber, ich könnte gar nicht so viel verreisen, wie ich flüchten möchte.
Hoffentlich bringt die Gedenkveranstaltung in Bad Neuenahr in dieser Woche mit dem Besuch der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers außer der zu erwartenden Empathie wieder begründete Hoffnung zu den Menschen, dass sie hier wieder wohnen können und ein Leben ohne Angst an der Ahr wieder möglich ist.