Nein, Idylle und Alptraum.
Wenn man jetzt von östlicher Seite in das Ahrtal hinein fährt, erscheint das Tal schon fast wie früher, ein Anziehungs- und Wohlfühlort für Einwohner und Gäste.
Je weiter man in das Tal hinein kommt, um so mehr fühlt man Fassungslosigkeit und Entsetzen über das, was man sieht und was am 14./15. Juli 2021 geschehen ist. Die Erinnerung an das eigene Erleben der Schreckensnacht wird ebenso präsent wie die vielen Berichte, die man kennt, über furchtbare Erlebnisse durch die Flut. So nah ist den Menschen im Tal – und auch deutschlandweit betrachtet – noch keine Flutkatastrophe gekommen. Auch die – scheinbar – Glücklichen, die diese Katastrophe überlebt haben, leiden weiterhin.
Eine so nicht erwartete Erfahrung ist jetzt auch, dass unzählige Menschen aus ganz Deutschland bis an die Grenze ihrer eigenen Möglichkeiten helfen mit Spenden, Anpacken vor Ort, Hilfe organisieren. Es gibt auch – zum Teil verbesserungsfähig – amtliche Hilfe vor Ort.
Auch in Bad Neuenahr, wo wir seit einigen Jahren wohnen und wo wir den Rest unseres Lebens – in wunderschöner Landschaft und bester Infrastruktur – verbringen wollten, wird den Bewohnern noch sehr viel Geduld und insgesamt noch viel Zeit für einen zukunftsfähigen Neuanfang abverlangt. Fünf Jahre, zehn Jahre, wer weiß es jetzt?
Bei der Beseitigung von Flutschäden in Form von Schutt und Schlamm ist mir eine Schultersehne gerissen. Das wurde mit einigen Schnitten in Bonn schnell operiert, die Heilung allerdings auf 5 Monate kalkuliert. Unsere Wohnung konnten wir wegen Mängel an der Infrastruktur nicht mehr nutzen, also sind wir nach Bonn in ein Hotel gezogen, inzwischen sind 5 Monate vergangen und wir leben immer noch im Hotel, auf 25 qm, mit viel Disziplin hält unsere Beziehung das gerade noch aus.
Seit 2 Wochen gibt es nun in unserer Wohnanlage in Bad Neuenahr Strom, Heizung, warmes Wasser, Licht – Luxusgüter im Ahrtal! Wir sind begeistert und überglücklich. Zwischenzeitlich ist der Strom schon wieder ausgefallen. Das ist inzwischen aber auch schon wieder repariert worden. Nächste Woche ziehen wir zum „Probewohnen“ in die eigene Wohnung. Erst mal putzen – Staub und getrockneten Schlamm wischen, dann auch zuhause übernachten. Wir hoffen, dass wir das aushalten, mitsamt dem ganzen Baulärm rundherum (der eigentlich ja auch ein gutes Zeichen für Fortschritt ist). Vor Ort wird uns dann auch bewusst werden, was wir alles an persönlichen Gütern und Hausrat in einem total gefluteten und verschlammten Keller verloren haben. Es sind nur materielle Güter, aber unser Herz hängt auch daran und sie sind Teil der eigenen Biographie.
Die Corona-Pandemie begleitet uns nun schon seit bald zwei Jahren (die aktuelle 7-Tage-Inzidenz bis 29.12.2021 für das Ahrtal ist inzwischen erfreulicherweise immerhin schon auf 100,4 gesunken). Aber Corona und Flutkatastrophe zusammen sind endgültig ein Alptraum.
Dem „alten Jahr“ weine ich keine Träne nach und ich möchte ihm nur noch nachrufen:
„Hau ab, du Sch… Jahr 2021 und lass dich nie wieder blicken, und nimm gleich das verdammte Virus mit allen seinen Varianten mit.“
Mit diesem „frommen“ Wunsch wünsche ich allseits ein gutes/besseres Neues Jahr.