Wir können bei uns derzeit nicht viel tun und so können wir uns um die Gesundheit kümmern. Wir haben Schulter-Gelenkschmerzen und dauerhaft trockene brennende Augen. Damit werden wir an der Ahr nicht die einzigen sein. An der Ahr sollte man gemäß ärztlicher Empfehlung auch draußen immer eine Mund-Nasen-Maske tragen (und möglichst auch noch eine Brille) wegen des vielen kontaminierten Staubs aus dem getrockneten Schlamm.
Wir haben einen Arzt-Termin in Bonn bekommen; die Flutopfer ohne Wohnung und ohne Hausarzt (viele Praxen sind in Bad Neuenahr-Ahrweiler mit der Flut untergegangen) werden irgendwie noch in den Terminkalender eingefügt. Ergebnis nach MRT bei mir: Schultersehnen-Riss.
Bad Neuenahr wieder beidseitig über die Ahr verbunden
Wir wollen in unserer Wohnung in Neuenahr soweit möglich nach dem Rechten sehen und ein paar Unterlagen holen und freuen uns auf die neue Brücke über die Ahr, die heute – am 5. August 2021 – im Bereich der Landgrafenstraße für den Verkehr freigegeben wird.
Kurz zuvor in Heppingen geraten wir in einen heftigen Starkregen, Radfahrer stehen unter der Autobahnbrücke, wir sehen nur noch die Lichter der Fahrzeuge. Die Autos fahren sehr langsam, denn in wenigen Minuten steht das Wasser schon wieder 20 cm hoch. Die Unwetterwarnung kam aber erst kurz nachdem wir das Auto auf einem höher gelegenen Parkplatz in Sicherheit gebracht hatten.
Ganz gespannt fahren wir in Bad Neuenahr über die Landgrafenstraße, die nun wieder in beide Richtungen über die Ahr durch eine – funkelnagelneue – Brücke verbunden ist, die heute für den Verkehr freigegeben wurde. Die Behelfsbrücke wurde vom THW in kurzer Zeit fertiggestellt und stellt eine große technische Leistung dar. Es soll die größte Brücke sein, die vom THW jemals gebaut wurde. Die Brücke hat – notwendigerweise wegen der starken Ausdehnung des Flussbettes durch die Flut – eine Länge von über 50 m. Es gab 62 Brücken im Ahrtal, von denen 60 bei der Flut zerstört wurden. In Neuenahr waren das die Landgrafenbrücke, die Casinobrücke, die Kurgartenbrücke (gerade noch in einer baulichen Verbesserungsmaßnahme), die Amseltal-Brücke, die Maria-Hilf-Brücke und einige kleinere Brücken. Insgesamt zwei Brücken (in Rech bzw. Neuenahr) sind nun als Behelfsbrücken in Dienst gestellt worden.
Allein die Zerstörung von Brücken vermittelt eine kleine Vorstellung davon, welche „Herkules-Aufgabe“ insgesamt für das Ahrtal und die für den Wiederaufbau zuständigen Stellen bevorsteht.
Das Ausmaß der Katastrophe wird immer deutlicher.
Auch z.B. an der neuen Behelfsbrücke in Bad Neuenahr stehen noch umfangreiche Aufräumarbeiten an, denen tiefgreifende Infrastrukturmaßnahmen zur Wiederaufbereitung und Festigung des Bodens nach der Flut, zur Legung von Rohren und Leitungen und zur Bewegung von Unmengen an Erdreich folgen.
Eine Landesgartenschau wäre eine vergleichsweise leichte Übung.
Ahrweiler will verlorenes Terrain zurückgewinnen
Die Altstadt von Ahrweiler und einige Wohnsiedlungen haben unter der Flut erheblich gelitten.
In Ahrweiler ist in der Altstadt schon gut geräumt worden: riesenhafte Mengen an Schutt sind in der Zwischenzeit abtransportiert worden. Die Straßen sind befahrbar.
Aber schon der Blick durch das Niedertor zeigt, dass kaum ein Geschäft oder eine Gaststätte den Durchfluss der reißenden Ahr unbeschadet überstanden hat. Fast alle Geschäfte sind durch das Hochwasser ruiniert worden. Viele Fensterscheiben sind zerborsten, das Inventar ist auch schon komplott ausgeräumt worden.
Um die Altstadt herum wird von morgens früh bis abends spät an der Wiederherstellung der Infrastruktur gearbeitet. Räumfahrzeuge und Traktoren, Feuerwehr, Abfallentsorger, Experten vieler Fachrichtungen, Handwerker und freiwillige Helfer sind im Einsatz.
Aber die Stadttore und die Stadtbefestigung haben stand gehalten. Bei den Häusern ist festzustellen, dass gerade alte Fachwerkhäuser die Flut überraschend gut überstanden haben. Die Häuser in der Altstadt sind auch schon begutachtet und eingeschätzt worden in mehrere Kategorien: kann bleiben, hat Schaden, muss abgerissen werden.
Die Frage nach der Verantwortung
Jetzt wird auch in einige Richtungen erörtert, wer die Verantwortung dafür trägt, dass sich die Flut an der Ahr zur verheerenden Katastrophe mit vielen Todesopfern entwickeln konnte.
Die Frage der Verantwortlichkeit wird bereits von der Staatsanwaltschaft Koblenz geprüft. Die Staatsanwaltschaft geht einem Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung durch Unterlassen nach.
Sie hat ein Ermittlungsverfahren gegen den Landrat des Landkreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler, eingeleitet.
Ausblicke, Hilfe, Zukunft
Am kommenden Dienstag, dem 10.8.2021, wollen Bund und Länder gemeinsam einen Wiederaufbaufonds für die Folgen der Flutkatastrophe beschließen. Die Bundesregierung soll am 18. August 2021 eine Vorlage beschließen, anschließend sollen der Bundestag und der Bundesrat in Sondersitzungen mit der Vorlage befasst werden.
Derzeit wird dem Vernehmen nach in Bezug auf den Wiederaufbaufonds von einem Volumen von 10 Mrd. Euro ausgegangen.
Weitere und vertiefte Ermittlungen des Hilfsbedarfs könnten möglicherweise noch zu höheren Beträgen gelangen.