Ein strahlend schöner Sommer-Sonnentag, der 1. Juli 2022, mit Temperaturen bis 21°. Mit einer Wandergruppe (geführte Terrainwanderung) mache ich mich mittags von Bad Neuenahr – Bahnhof auf, mit dem Bus 811 Richtung Ramersbach.
Wir laufen sanfte Steigungen hinauf Richtung Steinerberg, entlang der schönsten Landschaftsbilder und mit weiten Blicken in die Ferne. Die Landschaft mit Wäldern, Wiesen und Bergen und darüber leuchtend weißen Wolken am blauen Himmel ist: himmlisch. Es ist unglaublich schön hier, „Ahrtal at it’s best“, der Zauber des Ahrtals, der seit Generationen viele Menschen anzieht, erfreut auch unsere Wandergruppe. Im Laufe der Wanderstrecke und damit des zunehmenden Abstands von unseren flutgeschädigten Orten im Ahrtal kommt man aus der Alptraum-Schleife heraus. Es ist Urlaub vom Ahrtal, im Ahrtal!
Nach einer „Traumwanderung“ kommt – erwartbar – der alltägliche Horror. Man trifft auf ein breites Tal der Zerstörung, mit Schutt, Abriss, Neubauten, punktuellem Wiederaufbau, Leben auf Baustellen ohne verlässliches Zeit-Ziel, leidenden, verzweifelten, wütenden, verstörten Menschen. Viele haben ihr Haus – und damit oft ihr ganzes Hab und Gut – verloren und wissen nicht, ob und wann sie wieder festen Boden unter den Füßen haben. Für viele ist es die Hölle. Es gibt viel professionelle Hilfe gegen die Traumatisierung von Menschen durch die Flut. Aber es gibt auch Menschen, die nach der Flut ganz aufgegeben haben. Und die finanziellen Hilfen, die angekündigt sind, z.B. durch die ISB-Bank, und die von den Menschen im Ahrtal jetzt gebraucht werden, sind nicht etwa unbürokratische schnelle Hilfen, sondern stellen selbst für viele eine unüberbrückbare Hürde dar. Auch sind die Abschlagszahlungen vom Land , wenn sie ausgezahlt werden, mit 20.000 Euro zu niedrig, um seinen privaten Wiederaufbau zu schaffen. Manchen Menschen geht jetzt auch die Geduld aus: sie warten nicht auf Hilfe vom Land für das Ahrtal, sondern gehen nach Mainz zur Regierung und demonstrieren, um direkt auf ihre Situation hinzuweisen.
Und keiner will die Verantwortung übernehmen, für das, was an der Ahr geschehen ist.
Sehr interessant zu lesen ist: die aktuelle Ausgabe „DER SPIEGEL“ mit dem Beitrag „Ahrflut – Die Wut der Überlebenden“.