23.2.22 Traum und Alptraum

Nach Stürmen und Regen scheint die Sonne wieder strahlend am blauen Himmel über der Ahr. Ein Traumwetter zum Wandern. Seit sieben Monaten bin ich zum ersten Mal wieder mit der Wandergruppe unterwegs: Start mit der RB-Bahn in Bad Neuenahr bis nach Walporzheim und von dort wunderschön auf der Sonnenseite die Serpentinen hinauf über den Altenwegshof, Försterhof und auf dem Rotweinwanderweg weiter über das ehemalige Kloster Marienthal nach Dernau. Beim Blick auf Dernau werden nicht nur die eigenen schrecklichen Erinnerungen an die Flut-Katastrophe an der Ahr wieder wach. Der Anblick auf den halbverlassenen und noch von der Flut gezeichneten Ort ist erschütternd. Trotz aller Eigeninitiative der Bewohner und vieler Hilfen bisher schon sieht der Ort erbarmungswürdig aus. Man kann kaum glauben, was man sieht. Zurück nach Walporzheim geht es über eine Behelfsbrücke in Dernau über die Ahr und dann auf den Höhen des Ahrufer-Weges sehr naturnah weiter. Eine kleine Stärkung in der „Winzerschenke“ auf der anderen Ahr-Seite beendet die Wanderung mit den tiefen, gemischten Eindrücken.

In der Nacht zum Donnerstag 24.2.22 wird ein Alptraum, wie man sich ihn seit mehr als 75 Jahren in Europa nicht hätte vorstellen können, entfesselt: in der Nacht hat Putin russische Truppen in die Ukraine befohlen, um die gesamte Ukraine zu überfallen und Russland einzugliedern. Und das nach vielen Gesprächen der westlichen Regierungschefs und weiterer Politiker mit Putin, Bitten um Aufgabe  seines Kriegs-Vorhabens, „zivilen Repressionen“ im Wirtschaftsbereich. Alles vergeblich. Krieg in Europa. Unvorstellbar. Einige Zeitlang wissen wir nicht einmal, ob und wie das auch uns betreffen kann. Wie ein Krimineller, der seinen Nachbarn überfällt und mit Waffengewalt beraubt, wütet Putin. Ukrainer und Russen sind Nachbarn und haben auch Familie und Freunde jeweils auf der anderen Seite. Und sollen nun aufeinander schießen.  Die Ukraine hat sich unter großen Opfern zu einer Demokratie mit allen Rechten für die Bürger und Bürgerinnen entwickelt. Und nun müssen zu Hunderttausenden Ukrainer – Frauen, Kinder, alte Menschen – aus ihrem Land vor der russischen Armee flüchten. Die Männer müssen bleiben, um ihr Land zu verteidigen, um den Preis des eigenen Lebens. Die Familien wissen nicht, ob sie sich wieder sehen. Die Flüchtenden wissen nicht, ob sie in ihre Heimat zurückkehren können. Wir können den  Geflüchteten nur helfen, aber das ist auch schon in Vorbereitung von Bund und Landesregierungen.

Aus den sozialen Netzwerken, zusätzlich zu den mutigen Korrespondenten und Journalistinnen, die derzeit in der Ukraine unterwegs sind, lässt sich der Krieg in der Ukraine verfolgen. Das ist kaum anzusehen, aber es ist eine große Hilfe gegen die Unterdrückung der Wahrheit durch Putin-Russland. Also gilt nicht mehr „im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst“. Und es gibt eine Chance auf Gerechtigkeit nach dem – hoffentlich bald endenden – Krieg.

Hoch über Walporzheim: die Aussichts- und Picknick-Terrasse eines großzügigen Stifters wird immer wieder auf dem Weg zu den Berghöhen gerne für eine Pause genutzt.

Die Sonne strahlt am blauen Himmel über das ganze Tal. Wunderschöne Wanderbedingungen.

Der erste Blick von den Höhen auf den Weinort Dernau und das Flussbett, das sich die Ahr in der Flut geschaffen hat. Die gesamte Region scheint „wie im Rohbau“. Räumfahrzeuge und Wiederherstellungsmaßnahmen bestimmen weiterhin das Bild.,
Das Ausmaß der Verwüstung durch die Flut ist immer noch erkennbar. Verbindungen sind aber hergestellt: die Landstraße ist komplett befahrbar, eine lange Behelfsbrücke zum Überqueren der Ahr ist aufgebaut worden.
Im Ort ist festzustellen, dass viele Häuser fehlen und bestehende Häuser massive Schäden aufweisen. In diesem auch von Künstlern gestalteten und in den bunten Farben und Bildern freundlicher wirkenden Haus hatte sich die Flut ihren Weg durch das ganze Haus gesucht.
An der mit einer roten Linie markierten Stelle – oberhalb von dem fröhlich hüpfenden grünen Drachen rechts oben – ist zu erkennen, wie hoch die Flut in der Nacht vom 14./15. Juli 2021 stand.
Übergang an der Ahr mit einer Behelfsbrücke; viel Schutt und Baumaterialien ringsum.
In Dernau, auf der südlichen Ahr-Seite, ist zu sehen, welche Breite die Flut im Ort eingenommen hat. Das Ausmaß der noch anstehenden Aufräumarbeiten ist offensichtlich.
Wir wandern auf dem höher gelegenen Ahr-Uferweg von Dernau Richtung Walporzheim. Die Wucht des Wassers wird auch an manchen Felsen und den Trümmern am Fuß der Felsen deutlich.
Am Ende des Ahr-Uferwegs vor Walporzheim wird das Wandern noch einmal etwas beschwerlich. Vorsicht und Augen-offen-halten gilt hier rundherum.
Trügerische Schönheit: die Sonne strahlt durch den verbliebenen letzten Bogen einer von der Flut weggerissenen Brücke.
Im Hintergrund ist die Behelfsbrücke zu sehen. Nie war das THW für uns so wertvoll wie heute.
Vorbei an Schuttbergen und Abraum geht es weiter auf der nördlichen Ahr-Seite. Die Berge sind zum Teil so hoch, dass man kaum das Verkehrsschild noch sehen kann.
Das ist der Blick auf den ehemaligen Fahrrad- und Fußgängerweg zur Landstraße. Schutt und Abfall blockieren die gesamte Bahn-Unterführung. Im Vordergrund sieht man, dass fleißig an der Wiederherstellung eines Hauses und Lokals gearbeitet wird.
Hier geht es zur Stärkung: in der „Winzerschenke“ dürfen wir – außer Wein – auch noch köstlichen Kuchen erwarten. Es ist immer wieder eine Freude, zu sehen, wie Lokale und Gaststätten sich nach der Flut wieder zeigen und für Gäste öffnen. Sie lassen sich nicht „unterkriegen“ und das ist für die Inhaber und die wandernden Gäste gleichermaßen wichtig.
In Bad Neuenahr: vor dem ehemaligen Restaurant „Ambiente“ und „Hotel Felten“ türmt sich die Post, der Zugang ist gesperrt. Noch immer steht die Renovierung an.
Und am Donnerstag, 24.2. noch weiterer Ärger – im Hotel (hier mit Blick auf die Rosenkranzkirche) ist ein Zimmerbrand ausgebrochen. Der Brand konnte zum Glück bald gelöscht werden und es gibt keinen Personenschaden. Aber hier kann man denken: das ist kaum noch auszuhalten!
Am Samstag, 26.2.22, in Neuenahr auf der nördlichen Ahr-Seite:  Strahlender Sonnenschein lockt die Einheimischen und Besucher nach draußen, auch wenn Sitzplätze manchmal rar sind und weniger einladend wirken. Hier ist man auch schon dankbar für ein paar Sonnenstrahlen, wie immer und wann es wie weitergeht.