Es ist noch lange nicht vorbei

Es ist ein sehr heißer Tag an diesem 17. Juni 2022. Ich treffe zufällig die „Gegenüber-Nachbarin“ vor dem Haus, die mich vor Jahren, als wir einzogen in einen gerade fertiggestellten großen Wohnblock in Neuenahr, beim ersten Begegnen recht finster ansah. Ich wollte ihr freundlich „Guten Tag“ sagen, was sie aber nicht erfreute. Vielmehr klärte sie mich vorwurfsvoll auf, „ich hätte sie Jahre ihres Lebens gekostet“. Ich war völlig konsterniert und versuchte, über den Nutzen von innerstädtischen Baumaßnahmen für alle zu argumentieren. Hat aber nichts geholfen.

Und jetzt kann ich nachvollziehen, wie sich die – sehr sympathische, wie sich im Laufe der Zeit herausstellte – Nachbarin fühlte. Und jetzt auch wieder fühlen muss. Jahrelange Baumaßnahmen in bewohntem Gebiet können stressen. Bei unserem Wohnblock muss zwar nicht mehr die Baugrube ausgehoben werden. Aber es sind viele Baumaßnahmen, insbesondere bei allen im Juli 2021 durchgefluteten Parterre-Wohnungen, tagtäglich innerhalb unseres Hauses erforderlich. Das Hintergrund-Geräusch Baulärm ist mal mehr und mal weniger da. Hoffentlich wird dann am Ende alles gut gelungen sein.

Aber es ist – hier und im Ahrtal insgesamt – noch lange nicht vorbei. Über Hundert Brücken sind durch die Flut zerstört worden. Der Stadtrat von Bad Neuenahr-Ahrweiler will, dass eine möglichst schnelle Wiederherstellung stattfindet. Dabei wird wegen der großen Zahl zerstörter Brücken eine Priorisierung für erforderlich gehalten. Zunächst sollen 18 Brücken über die Ahr gebaut werden. Hierfür wird nach jetzigem Stand mit mindestens sechs Jahren Vorbereitungs- und Bauzeit gerechnet. Offen – und für den Brückenbau relevant – ist auch, wie der künftige Verlauf der Ahr aussehen soll und welche Breite für das Flussbett vorgesehen werden kann und muss. Viele Straßen müssen wieder ganz hergestellt werden. Optimal wäre sicher wohl ein Gesamtverkehrskonzept, in das alle Verkehrsarten und -wege einbezogen werden. Viele Häuser stehen schon nicht mehr, weitere Abrisse können noch hinzu kommen.

Kläranlagen müssen wieder aufgebaut werden. Das Leitungssystem, das über hundert km lang ist, muss auch erneuert werden. In Ahrweiler wurde an einigen Stellen eine Unterspülung durch die Flut festgestellt, was sehr beunruhigend ist.

Eine gute Nachricht gibt es aktuell von der Deutschen Bahn: Das Land Rheinland-Pfalz und die Bahn haben sich für die seit langem schon geforderte Elektrifizierung der Ahrtalbahn entschieden.

Die Aufklärung der Verantwortlichkeiten in der Flutnacht ist im Untersuchungsausschuss des Landtages auch noch nicht ganz geschafft. Es sollen noch Gutachten eingeholt werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. So viel auf einmal: es brummt der Kopf.

Kleine Auszeit: durch die Parkanlagen in Neuenahr, ins Grüne und mal schauen, was sich tut.

An der Stelle des bisherigen Twin-Schwimmbades wird abgerissen mit großem Gerät.
Das Schwimmbad wird in seine Einzelteile zerlegt. Nach erfolgtem Abriss ist ein Neubau vorgesehen. Vielleicht sogar „mit ein bisschen Therme“; das steht aber wohl noch in den Sternen.
Viel ist schon geschafft beim Abriss des Twin.
Beim Spaziergang im Lenné-Park bzw. was davon bei der Flut übrig geblieben ist, ein seltener Baum: eine Seite grün, eine Seite braun. Hoffentlich überlebt zumindest eine Seite.
Der Mohn strahlt in der Sonne. Auch breitet sich die Vegetation insgesamt stark und wild aus. Für’s Blumenpflanzen ist jetzt auch kaum Zeit. Hinter der Absperrung der nach der Flut geräumte Tennisplatz. Dahinter ist das Lenné-Schlösschen zu sehen, das wieder in Betrieb geht, insbesondere für Feiern und Hochzeiten.
Die neue Brücke im Kaiser-Wilhelm-Park in Neuenahr nach der Flut. Jetzt liegt sie da in voller Schönheit und wartet auf ihren Einsatz.
Ich will einmal um den Schwanenteich gehen. Aber: kaum Bewohner im Teich, insbesondere kein einziger Schwan, im spärlichen Brackwasser zu sehen. Die Enten sind wohl sehr robust und können sich und ihrem Nachwuchs selbst helfen.
Im Kaiser-Wilhelm-Park findet sich eine von der Flut gekippte Laterne, ansonsten üppig die wilde Vegetation rings herum.
An der Landgrafenbrücke in Neuenahr ist im Vordergrund der Abriss des Fußgängerweges durch die Flut deutlich zu sehen. Unter der Brücke beweist jemand offensichtlich, dass das Flussbett der Ahr jetzt leicht zu überqueren ist.
Blick in den Kurpark: der Park ist nun wieder für Spaziergänger ohne Eintritt zu begehen. Es ist auch noch eine weitere Bewirtungsstation, mit karibischer Anmutung,  dazugekommen: Das Café del Ahr.
Weiterhin deutlich sichtbar auf der nördlichen Ahr-Seite die Zerstörung des Ufers an der Ahr durch die Flut. Der Spazierweg ist auch weitgehend abgerissen worden.
Irgendwie kommt man auch am Ahrufer weiter.
Ende gut, alles (?) gut – am Ende meines Spaziergangs (5 km) durch die Parkanlagen habe ich einen schönen Blick auf die Stadt und das Café del Ahr, mit feinem Sandstrand und Liegestühlen.