Es wird gewuselt, gesägt, gehämmert, geklopft an allen Ecken und Enden. Jeden Tag mindestens eine neue Baustelle in Bad Neuenahr. Und man ist froh, dass der kümmerliche Rest, der gerade jetzt in der sommerlichen Trockenheit von der Ahr noch zu besichtigen ist, nahezu ortsfest erscheint und keinen Anlass zur Sorge vor dem nächsten Hochwasser gibt. Es liegt noch kein allseits akzeptiertes und umweltadäquates Konzept vor, das eine Neugestaltung für den Verlauf und die Sicherung des Ahr-Ufers einschließlich der Zuflüsse bis hin zum Rhein vorsieht.
Die Menschen hier lieben ihre Heimat und wissen, wie schön sie ist – auch wenn sich die Schönheit derzeit eher auf den Wein- und Waldbergen erschließt. Die meisten Menschen an der Ahr wollen auch nicht wegziehen. Aber sie können auch nicht langfristig ohne eigene Wohnung bleiben.
Klar, Infrastruktur und deren Wiederherstellung ist eine riesige laufende Aufgabe der Stadt und gehört sicher zu den Prioritäten. Schadensbeseitigung, Fernwärme-Versorgung, Fortsetzung der Modernisierung der Stadt mit neuen Kabeln und Kanälen, dazu Bekämpfung und Ausleitung des noch zu hohen Grundwassers in Neuenahr, und vieles mehr steht an und weiteres kommt noch hinzu. Nach Einschätzung eines Rückversicherers ist die Hochsommerflut 2021 mit 46 Mrd. Euro Schadenssumme die teuerste Naturkatastrophe, die in Deutschland und in Europa jemals verzeichnet worden ist.
Derzeit hat man häufiger den Eindruck, dass sich die Stadt beim Bauen – Wiederherstellung und zahlreiche Neubauten – auch selbst im Weg steht.
Und die Menschen fragen sich, wo das ganze Geld vom Bund geblieben ist. Bei den meisten ist jedenfalls noch nichts angekommen.
Die andere Seite von Neuenahr ist, dass es eine (wenn aktuell auch nur ehemalige) Schönheit ist, dass die Neuenahrer ihre Stadt lieben und sich auch in schwierigen Zeiten in ihr einrichten, zusammen stehen und sogar noch offen sind für Besucher. Weiterhin steht das Ahr-Tal auch für Geselligkeit mit Festen, Familien, Freunden, Gästen. Und man macht hier, was man kann. Die Geduld der Menschen im Ahrtal mit ihrer Verwaltung, mit Versicherungen, mit Kreditunternehmen und Politik ist auch bemerkenswert („was soll man machen?“).
Liegt es am Wein, von dem hier zum Glück genug da ist? Oder liegt es daran, dass das Ahr-Tal eine uralte Kulturlandschaft ist, in der man sich traditionell in einer Kette mit seinen Vorfahren und deren wechselhaften Schicksalen und mit seinen Nachfolgern sieht?